Leseproben
augenausblicke 222 Gedichte von Reijoh B.
Im Nationalpark von Gran Canaria
Ich sagte zu ihr: Du hast Haare
Von den Farben dieser Berge
Ich sagte zu ihr: Du hast Augen
Vom Schatten dieser Berge
Ich sagte zu ihr: Die wilde Kamille
An deiner Brust fühlt sich geborgen
Mein Hut wehte hinab ins Tal
Und ich holte ihn mit Bangen herauf
Am Hang lagen liebliche Fragen
Hingestreut wie purpurne Orchideen
Als ich zu ihr zurückkehrte
Umkreiste sie ein gelber Schmetterling
Der Hausknecht von Martin Pohl
Also rannte ich in diese Nacht. Eine Orientierung war nicht möglich, zeitraubend und absurd die Frage nach einer Richtung. Die Finsternis kennt keine Wegweiser. Ich rannte.
Fliehende, die nicht wissen, wohin sie fliehen, fliehen mit ausgestreckten Armen instinktiv, sie könnten irgendwo aufprallen. Selbst wenn sie sehen könnten, fliehen sie (in meiner Vorstellung) mit geschlossenen Augen, als seien sie blind. Ihr einziger Gedanke ist die Flucht.
So auch ich: ich rannte mit geschlossenen Augen und vorgestreckten Armen. Und nirgendwo prallte ich auf. Ich rannte durch eine pechschwarze Leere in die Endlosigkeit einer unterirdischen Welt. Wohl meinte ich, Schüsse hinter mir zu hören und Aufschreie wie von Getroffenen. Nähe und Ferne ununterscheidbar. Wurde geschossen? War wer getroffen? Ich warf mich zu Boden.
Und ich fühlte mich wieder emporgerissen. Vorangestoßen. Jetzt würde mir jemand die Arme auf den Rücken drehen, die Schulterblätter ausrenken. Wer war da hinter mir, der meinen Rücken mit siedender Hitze peitschte? Wen hatte ich da vor mir, der sich mit Eiseskälte gegen meine Brust warf? Ich schleuderte die Arme hoch, als wollte ich mich ergeben. War ich das noch, der da rannte mit einer Kraft oder gegen eine Kraft, die so gewichtig, so folgenträchtig und so schrankenlos in einem war?
Ich rannte um mein Leben. Ich rannte um meinen Tod. Tod und Leben in einem Topf. Ein Eintopfgericht den Schatten der Unterwelt, und ein Leipziger Allerlei den Seeligen des Olymps. Allerleirauh und Allerleiglatt. Und einerlei allerlei und allerlei einerlei Nichts. Dieser Herr Phuidos hatte recht: ich war ein Nichts. Und dem Knecht Luis war es billig: ich war ein Goldjunge. Ich stürzte in ein Wasser.
Und aus dem Rennen wurde ein Schwimmen. Auftauchen. Abtauchen. Schwarz wie die Nacht, aus der ich kam, war das Wasser. Was war das für ein Wasser? Die Badeanstalt, in der Glaokon abhanden und aus der Mustas zum Vorschein kam? Was war das für ein Wasser? Der gesichtete Strom in der Tiefe, umwallt von Nebeln, als Mustas oben auf einer Galerie über ein Geländer hinabblickte? Was war das für ein Wasser? Auftauchen. Abtauchen. Stiller Ozean. Nordmeer. Atlantik. Straße von Hormus, selbst den Haien gefährlich. Bosporus. Schwarzes Meer. Tauris DAS LAND DER GRIECHEN MIT DER SEELE SUCHEND. Orakel von Delphi, ich bin kein Delphin. Mein Name ist Flipper mitnichten. Da ist KEIN FISCH DER FLÜGEL HAT. Hier ist das Nichts, das auftaucht, und der Goldjunge taucht ab. Das hält der nicht durch in der schwarzen Flut!
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